Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nach mehrjähriger Beobachtung als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Diese Einstufung erfolgte auf Grundlage eines umfangreichen, über 1000-seitigen Gutachtens, das Aussagen, Positionen und Verhaltensweisen der Partei und ihrer Repräsentanten systematisch analysiert hat. Dieses Gutachten soll nun als mögliche Grundlage für ein Verbotsverfahren gegen die derzeit zweitstärkste Oppositionspartei Deutschlands dienen, die im Bundestag und allen Landtagen vertreten ist und von etwa 20% der Wählerschaft unterstützt wird.
Die vorliegende Analyse untersucht die wichtigsten Argumente und Bewertungen des Gutachtens, prüft rechtliche und demokratietheoretische Aspekte und stellt die möglichen Folgen eines Verbots der Partei für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar.
Das Gutachten stützt sich auf mehrere zentrale Argumentationslinien, um die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem zu begründen:
Das Gutachten belegt durch eine Vielzahl von Äußerungen führender AfD-Funktionäre die "beharrliche Verteidigung und fortgesetzte Vertretung eines ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs". Diesem Verständnis zufolge bestehe das deutsche Volk nicht aus der Gesamtheit aller Staatsangehörigen, sondern aus der Gesamtheit der "ethnischen" Deutschen. Dies stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes.
Die Partei verbreite systematisch Narrative eines angeblichen "Großen Austauschs", "Bevölkerungsaustauschs" oder einer "Umvolkung", die einen schleichenden Verdrängungsprozess zu Lasten der autochthonen Deutschen behaupteten und damit die Existenz des deutschen Volkes in Gefahr sähen.
Das Gutachten dokumentiert zahlreiche Beispiele für die pauschale Diskriminierung, Herabwürdigung und Entmenschlichung von Migranten, insbesondere aus muslimischen Herkunftsländern, die pauschal als kriminell, integrationsunfähig und kulturfremd bezeichnet würden.
Die AfD diffamiere systematisch demokratische Institutionen als "Systemparteien", "Kartellparteien" oder setze die Bundesrepublik mit Diktaturen gleich, was auf eine Ablehnung grundlegender demokratischer Prinzipien hindeute.
Das Gutachten stellt fest, dass trotz der formalen Auflösung des als gesichert rechtsextrem eingestuften "Flügels", dessen Positionen und Vertreter weiterhin dominierenden Einfluss auf die Gesamtpartei haben.
Die Partei habe zahlreiche Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen wie der "Identitären Bewegung", dem "Institut für Staatspolitik", der "COMPACT-Magazin GmbH" und der eigenen Jugendorganisation "Junge Alternative", die ebenfalls als gesichert rechtsextrem eingestuft ist.
Das Gutachten argumentiert, dass diese Elemente nicht nur vereinzelte Entgleisungen darstellen, sondern eine "charakteristische Grundtendenz" der AfD seien, die sich seit der Einstufung als Verdachtsfall 2021 weiter verfestigt habe.
Eine zentrale Frage in der Bewertung extremistischer Tendenzen ist die Abgrenzung zwischen legitimer politischer Meinungsäußerung und verfassungsfeindlichen Positionen. Das Gutachten geht auf dieses Spannungsfeld ein:
Das Gutachten betont, dass nicht einzelne Aussagen für sich genommen, sondern deren Einbettung in ein Gesamtbild entscheidend sei. Die Meinungsfreiheit decke zwar auch provokante oder überspitzte Äußerungen, jedoch könne die Gesamtheit solcher Äußerungen auf ein verfassungsfeindliches Bestreben hindeuten.
Der Verfassungsschutz ist berechtigt, aus rechtlich zulässigen Meinungsäußerungen dennoch Schlüsse zu ziehen und darauf basierend Maßnahmen zu ergreifen. Der Umstand, dass eine Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, bedeutet nicht, dass sie nicht als Indiz für verfassungsfeindliche Bestrebungen gewertet werden kann.
Entscheidend sei nicht, ob jede einzelne Äußerung die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit überschreite, sondern ob sich aus der "Zusammenschau" der Äußerungen eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete politische Zielsetzung ergebe.
Die Verfassungsschutzbehörde sei nicht verpflichtet, "extremistische Äußerungen gegen jede Logik als noch verfassungskonform auszulegen".
Die Grenze zwischen legitimer Meinungsäußerung und verfassungsfeindlichen Positionen wird dabei weniger an einzelnen Aussagen festgemacht, sondern an der erkennbaren Gesamttendenz und Zielrichtung der Partei, die nach Ansicht des Gutachtens auf eine Ablehnung zentraler Verfassungswerte hinausläuft.
Das Gutachten führt eine Vielzahl konkreter Belege an, die die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextrem" stützen sollen:
Die AfD vertrete kontinuierlich die Vorstellung, dass nicht alle Staatsangehörigen gleichermaßen zum deutschen Volk gehören, sondern unterscheidet zwischen "echten Deutschen" und "Passdeutschen". Diese Hierarchisierung verstoße gegen das Grundgesetz.
Die Partei nutze systematisch Begriffe wie "Großer Austausch", "Umvolkung" oder "Bevölkerungsaustausch", die der rechtsextremen Ideologie entstammen und auf verschwörungstheoretischen Annahmen basieren.
Das Gutachten dokumentiert zahlreiche diskriminierende Äußerungen gegen Migranten, Muslime und andere Minderheiten, teilweise unter Verwendung entmenschlichender Metaphern.
Die AfD fordere eine "massenhafte Abschiebung" und "Remigration", die sich auch gegen Deutsche mit Migrationshintergrund richten könnte.
Die Partei bezeichne systematisch Regierung, Parlament und Medien als "Systemparteien", "Kartellparteien", "Staatsmedien" oder ziehe Vergleiche mit Diktaturen.
Das Gutachten konstatiert, dass es keine glaubwürdige Distanzierung der Partei von extremistischen Positionen gebe. Taktische "Erklärungen zum Volksbegriff" würden in der Praxis nicht umgesetzt, extremistische Narrative weiterhin offen vertreten.
Die rechtsextreme Weltanschauung beschränke sich nicht auf einzelne Personen oder Landesverbände, sondern durchziehe alle Ebenen der Partei.
Die Partei nutze systematisch Begriffe wie "Remigration", "Heimat", "Siedlungsgebiet", "ethnokulturelle Identität", um das rechtsextreme Milieu zu mobilisieren.
Die AfD lehne Distanzierungen vom rechtsextremen Gedankengut ab und bekämpfe behördliche Einstufungen gerichtlich, ohne inhaltlich davon abzurücken.
Es bestünden zahlreiche personelle und organisatorische Verbindungen zu bereits als rechtsextrem eingestuften Gruppierungen.
Das Gutachten betont, dass diese Hinweise in ihrer Gesamtheit ein konsistentes Bild einer verfassungsfeindlichen Partei zeichnen, deren extreme Positionen keine Randerscheinungen sind, sondern die grundlegenden Bestrebungen der Partei widerspiegeln.
Die AfD und ihre Juristen bringen verschiedene Gegenargumente vor, um die Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" anzufechten:
Die AfD argumentiert, dass kritisierte Äußerungen lediglich Einzelmeinungen oder "Entgleisungen" einzelner Mitglieder seien und nicht die Position der Gesamtpartei darstellten.
Die Partei verweist auf ihre programmatischen Erklärungen und Satzung, in denen sie sich ausdrücklich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne.
Der Verfassungsschutz und die Gerichte würden Meinungen und programmatische Aussagen "tendenziös", "politisiert" oder als Teil einer politischen Kampagne gegen die AfD interpretieren.
Kritische Aussagen zu Migration, Islam und anderen Themen seien vom Spielraum der Meinungsfreiheit gedeckt und Teil des legitimen politischen Diskurses.
Die AfD beruft sich auf das Parteienprivileg nach Art. 21 GG und den Grundsatz der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb, der durch die negative Einstufung beeinträchtigt werde.
Die Partei führt an, dass sie gegen problematische Mitglieder vorgegangen sei und sich durch Parteiordnungsverfahren distanziert habe.
Die AfD bestreitet, einen ethnisch-exklusiven Volksbegriff zu vertreten; die Gleichstellung aller Staatsbürger sei in Satzung und Programmatik verankert.
Die Partei verweist auf ihre anhängigen Klagen und Beschwerden, die zeigen sollen, dass Zweifel an der rechtlichen Grundlage der Einstufung bestehen.
In der gerichtlichen Auseinandersetzung wird das Verwaltungsgericht Köln und später möglicherweise das Oberverwaltungsgericht Münster zu prüfen haben, ob diese Gegenargumente stichhaltig sind oder ob die umfangreiche Dokumentation des Verfassungsschutzes überzeugt.
Ein mögliches Verbot der AfD als zweitstärkste Partei im Bundestag hätte weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen:
Ein Verbot würde bedeuten, dass über 10 Millionen Wählerinnen und Wähler (bei der Bundestagswahl 2025) nicht mehr durch ihre gewählte Partei repräsentiert würden. Dies könnte zu einem Gefühl der politischen Entfremdung führen.
Wie der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel argumentiert, würde ein Verbot der AfD bedeuten, dass "zwanzig Prozent des Wahlvolkes, des demokratischen Souveräns, untersagt werden würde, für die Partei ihrer Wahl zustimmen." Dies stelle eine Einschränkung des Pluralismus dar, "des Kerns einer demokratischen Gesellschaft".
Ein Verbot könnte bei Teilen der AfD-Wählerschaft zu verstärktem Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen führen und möglicherweise eine Radikalisierung begünstigen. Die AfD könnte sich in die Opferrolle begeben und ihre Anhänger außerhalb parlamentarischer Strukturen mobilisieren.
Das ohnehin bei vielen Bürgern schwindende Vertrauen in den Staat könnte durch einen so erheblichen Eingriff in den demokratischen Prozess weiter abnehmen, besonders in Regionen, wo die AfD starken Zuspruch erfährt.
Ein Verbot könnte die gesellschaftliche Polarisierung verschärfen und zu einer tieferen Spaltung zwischen verschiedenen politischen Lagern führen, anstatt den Dialog zu fördern.
Ein Verbot würde zu massiven praktischen Herausforderungen führen: Die AfD müsste ihre Bundesgeschäftsstelle, 16 Landesgeschäftsstellen und Kreisgeschäftsstellen schließen. Alle 151 Bundestagsabgeordneten, 278 Landtagsabgeordneten und über 1.000 kommunale Mandatsträger würden ihre Mandate verlieren.
In zahlreichen Wahlkreisen, vor allem in Ostdeutschland, müssten Nachwahlen stattfinden. Die Mehrheitsverhältnisse in vielen Parlamenten würden sich grundlegend verschieben. Im Bundestag würde es plötzlich eine rot-rot-grüne Mehrheit geben, was die demokratische Legitimation solcher neuen Mehrheiten in Frage stellen könnte.
Die Umfragen deuten darauf hin, dass etwa ein Drittel der AfD-Wähler im Fall eines Verbots gar nicht mehr wählen würde. Dies könnte zu einem demokratischen Defizit führen, da ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung sich nicht mehr am demokratischen Prozess beteiligen würde.
Die Folgen eines Verbots für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind also ambivalent: Einerseits könnte es die demokratische Kultur schützen, indem verfassungsfeindliche Bestrebungen eingedämmt werden. Andererseits könnte es zu einer tieferen Entfremdung großer Bevölkerungsteile vom demokratischen System führen und die gesellschaftliche Polarisierung verschärfen.
Bei der Bewertung der Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextrem" und eines möglichen Verbotsverfahrens müssen auch die politischen Interessen anderer Akteure berücksichtigt werden:
Die Regierungsparteien könnten ein Interesse daran haben, die stärkste Oppositionskraft zu schwächen. Durch ein Verbot der AfD könnten sich die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse deutlich zu ihren Gunsten verschieben.
CDU/CSU, SPD und andere etablierte Parteien könnten hoffen, durch ein AfD-Verbot Wählerstimmen zurückzugewinnen, die sie in den letzten Jahren an die AfD verloren haben. Besonders in Ostdeutschland, wo die AfD in einigen Ländern stärkste Kraft ist, könnte dies die politische Landschaft erheblich verändern.
Der Verfassungsschutz ist als Behörde formal weisungsgebunden und untersteht dem Bundesinnenministerium. Kritiker argumentieren, dass dies theoretisch zu einer politischen Einflussnahme auf die Einstufung führen könnte. Allerdings betonen Experten wie Wolfgang Schroeder (Universität Kassel), dass das BfV "eine unabhängige Behörde" sei, auch wenn es der Fachaufsicht des Ministeriums unterstehe.
Interessanterweise stellt das Gutachten selbst fest, dass traditionelle Parteien wie die CDU teilweise Positionen übernehmen, die zuvor von der AfD vertreten wurden, insbesondere in Fragen der Migration und Einbürgerungsgesetzgebung. Dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass bestimmte Positionen, die bei der AfD als problematisch angesehen werden, bei etablierten Parteien als akzeptabel gelten.
Die Frage nach konkurrierenden politischen Interessen ist komplex und kann nicht einfach mit dem Vorwurf der politischen Instrumentalisierung abgetan werden. Gleichzeitig darf die rechtliche Bewertung der AfD nicht von parteipolitischen Kalkülen dominiert werden, sondern muss sich an verfassungsrechtlichen Maßstäben orientieren.
Die Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) als weisungsgebundene Behörde wirft Fragen bezüglich der Neutralität und Objektivität des Gutachtens auf:
Das BfV ist formal dem Bundesinnenministerium unterstellt und damit weisungsgebunden. Diese Struktur kann grundsätzlich Zweifel an der vollständigen Unabhängigkeit der Behörde wecken, insbesondere wenn es um die Bewertung einer politischen Partei geht, die in Opposition zur Regierung steht.
Das vollständige Gutachten zur Einstufung der AfD wurde zunächst nicht veröffentlicht. Dies erschwert eine unabhängige Prüfung der darin enthaltenen Argumente und Belege. Die fehlende Transparenz kann als problematisch angesehen werden, wenn auf Basis des Gutachtens weitreichende Eingriffe in den politischen Wettbewerb vorgenommen werden sollen.
Das BfV unterliegt verschiedenen Aufsichts- und Kontrollmechanismen, darunter die parlamentarische Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) und die Gerichte im Rahmen verwaltungsrechtlicher Verfahren. Diese Mechanismen sollen eine politische Instrumentalisierung verhindern.
Trotz der formalen Weisungsgebundenheit verfügt das BfV über eine hohe fachliche Expertise in der Bewertung extremistischer Bestrebungen. Das Gutachten stützt sich auf langjährige Beobachtung und eine umfangreiche Materialsammlung.
Die Einstufungen des Verfassungsschutzes unterliegen der gerichtlichen Kontrolle. Sowohl das Verwaltungsgericht Köln als auch das Oberverwaltungsgericht Münster haben die vorherige Einstufung der AfD als "Verdachtsfall" bestätigt, was für eine gewisse rechtliche Belastbarkeit der Bewertungen spricht.
Die AfD kritisiert die Einstufung als politisch motiviert und spricht von einem "kalten Parteiverbot". Sie sieht den Verfassungsschutz als Instrument der Regierungsparteien, um unliebsame politische Konkurrenz zu bekämpfen.
Das Grundgesetz gewährt politischen Parteien in Art. 21 GG einen besonderen Schutz. Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei verbieten. Die Einstufung durch den Verfassungsschutz muss daher das Parteiprivileg respektieren und darf nicht zu einem faktischen "kalten Parteiverbot" führen.
Die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Bewertung politischer Parteien bleibt ein Spannungsfeld zwischen notwendigem Schutz der Verfassung einerseits und dem Respekt vor dem demokratischen Willensbildungsprozess andererseits. Die Wahrung der Balance zwischen diesen beiden Aspekten ist entscheidend für die Legitimität der Einstufung.
Bei der Bewertung des Gutachtens und der öffentlichen Diskussion um ein mögliches AfD-Verbot muss auch die Rolle der Mainstream-Medien kritisch betrachtet werden:
Viele große Medien in Deutschland tendieren zu einer einseitigen Berichterstattung über die AfD, bei der kritische Aspekte überproportional hervorgehoben werden, während differenziertere Betrachtungen oder die Darstellung der Positionen der Partei aus deren eigener Perspektive oft zu kurz kommen. Diese mangelnde Neutralität kann dazu führen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung ein verzerrtes Bild entsteht.
Eine gewisse Nähe vieler Medien zu den etablierten Parteien - sei es durch politische Ausrichtung der Redaktionen oder durch strukturelle Verflechtungen wie bei den öffentlich-rechtlichen Medien mit ihren politisch besetzten Rundfunkräten - kann die Unabhängigkeit der Berichterstattung beeinträchtigen. Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn es um die Bewertung einer Oppositionspartei geht, die sich als Gegengewicht zum "System" positioniert.
Der journalistische Grundsatz "audiatur et altera pars" (auch die andere Seite ist zu hören) wird in der Berichterstattung über die AfD nicht immer ausreichend beachtet. Während Kritik an der Partei breiten Raum erhält, werden Gegendarstellungen oder Erklärungen der Partei zu Vorwürfen oft nur verkürzt oder gar nicht wiedergegeben.
Durch eine emotionalisierte und polarisierende Berichterstattung tragen Medien möglicherweise ungewollt zur gesellschaftlichen Spaltung bei. Die Darstellung der AfD als "gesichert rechtsextrem" ohne differenzierte Einordnung kann dazu führen, dass gesellschaftliche Debatten über politische Inhalte erschwert werden.
Äußerungen von AfD-Vertretern werden mitunter selektiv zitiert oder aus ihrem Kontext gerissen, was zu einer verzerrten Darstellung führen kann. Dies betrifft auch die Berichterstattung über das Verfassungsschutz-Gutachten, bei dem oft einzelne besonders drastische Aspekte hervorgehoben werden, während entlastende Faktoren weniger Beachtung finden.
Die einseitige mediale Berichterstattung kann auch Auswirkungen auf die wissenschaftliche und politische Analyse haben. Wenn die öffentlich zugänglichen Quellen bereits eine Vorauswahl und Interpretation vornehmen, besteht die Gefahr, dass auch vermeintlich unabhängige Analysen von dieser Vorauswahl beeinflusst werden.
Eine kritische Reflexion der Medienberichterstattung ist daher unerlässlich für eine ausgewogene Bewertung des Verfassungsschutz-Gutachtens und seiner Implikationen. Dies bedeutet nicht, dass berechtigte Kritik an der AfD relativiert werden soll, sondern dass eine differenzierte, faktenbasierte und kontextsensitive Berichterstattung notwendig ist, um eine informierte gesellschaftliche Debatte zu ermöglichen.
Eine zentrale Frage in der Bewertung der AfD ist, inwieweit Äußerungen einzelner Parteimitglieder oder Funktionäre der Gesamtpartei zugerechnet werden können:
Nach der Rechtsprechung kommt es auf das Gesamtbild und die prägende Wirkung an. Verfassungsfeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen müssen den Charakter der Partei prägen. Dies ist der Fall, wenn die Grundtendenz einer Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erkennbar vorherrschend ist.
Besonders das Verhalten und die Aussagen von Funktionsträgern mit hoher Außenwirkung (z.B. Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende, Abgeordnete) können für die Parteihaltung maßgeblich sein, da sie das Auftreten und Geschehen der Partei nach außen wesentlich prägen.
Die Untergliederung in Landes- und Kreisverbände ist nach gerichtlicher Auffassung organisatorischer Natur; eine programmatische Differenzierung besteht grundsätzlich nicht. Daher können auch Äußerungen aus Landesverbänden der Gesamtpartei zugerechnet werden.
Eine Partei kann sich von problematischen Äußerungen einzelner Funktionäre distanzieren, um deren Zurechnung zu verhindern. Nach dem Gutachten habe die AfD dies aber nicht in ausreichendem Maße getan.
Wie das Verwaltungsgericht Dresden in einem ähnlichen Fall feststellte, reichen vereinzelte Entgleisungen nicht zur Gesamteinstufung aus. Eine Vielzahl gleichartiger, sich wiederholender Äußerungen aus verschiedenen Funktionskreisen und Ebenen lässt jedoch auf eine grundsätzliche Haltung schließen.
Auch eine Vielzahl rechtlich unbedenklicher oder wertneutraler Äußerungen ändert nach gerichtlicher Auffassung nichts daran, wenn ein bedeutender Teil von Funktionären Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung erkennen lässt.
"Eine Partei muss sich auch das Verhalten ihrer Anhänger zurechnen lassen, denn sie wird durch das Verhalten ihrer Anhänger bestimmt", so die gerichtliche Interpretation.
Im Fall der AfD argumentiert das Gutachten, dass die Vielzahl problematischer Äußerungen, die sich durch alle Ebenen der Partei ziehen und von hochrangigen Funktionsträgern getätigt werden, keine bloßen Einzelfälle darstellen, sondern ein systematisches Muster bilden, das der Gesamtpartei zugerechnet werden kann. Die AfD hingegen argumentiert, dass es sich um Einzelmeinungen handele, die nicht repräsentativ für die Parteilinie seien.
Die Erfolgsaussichten sowohl der Einstufung als "gesichert rechtsextrem" als auch eines möglichen Parteiverbots sind differenziert zu betrachten:
Die bisherige Rechtsprechung deutet darauf hin, dass die Gerichte die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextrem" bestätigen könnten. Bereits die vorherige Einstufung als "Verdachtsfall" wurde sowohl vom Verwaltungsgericht Köln als auch vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt. Die umfangreiche Dokumentation des Verfassungsschutzes und die kontinuierliche Beobachtung über mehrere Jahre sprechen für eine solide rechtliche Grundlage.
Die Anforderungen an ein Parteiverbot sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr hoch. Eine Partei muss sich in "aktiv-kämpferischer Weise" für die Abschaffung der Demokratie einsetzen. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann. Nach dem NPD-Verbotsverfahren von 2017 reicht es nicht aus, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt; sie muss auch eine realistische Chance haben, diese umzusetzen.
Während die NPD 2017 aufgrund mangelnder Potentialität nicht verboten wurde, könnte bei der AfD als zweitstärkster Kraft im Bundestag und Übernahme von Regierungsverantwortung in einigen Bundesländern dieses Kriterium erfüllt sein. Die politischen Erfolge der AfD bei Wahlen könnten als Hinweis auf die Potentialität gewertet werden.
Ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht würde voraussichtlich mehrere Jahre dauern. Während dieser Zeit könnte die AfD sich als Opfer einer politischen Verfolgung darstellen und möglicherweise weitere Unterstützung gewinnen.
Das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht würde eine komplexe juristische Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien nach sich ziehen. Dabei müsste das Gericht einen Ausgleich zwischen dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einerseits und dem in Art. 21 GG verankerten Parteienprivileg andererseits finden.
Die Entscheidung über ein Parteiverbot hat neben der rechtlichen immer auch eine politische Dimension. Die politischen Konsequenzen eines Verbots der zweitstärksten Partei im Bundestag könnten die Entscheidung beeinflussen, auch wenn sie formell nicht entscheidungserheblich sind.
Es müsste geprüft werden, ob ein Verbot die verhältnismäßige Maßnahme ist oder ob mildere Mittel, wie etwa der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung nach Art. 21 Abs. 3 GG, ausreichen würden.
Ein Verbot müsste auch den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entsprechen, der in der Vergangenheit ebenfalls hohe Maßstäbe an Parteiverbote angelegt hat.
Insgesamt ist eine realistische Einschätzung, dass die Einstufung als "gesichert rechtsextrem" gute Chancen hat, vor Gericht bestätigt zu werden, da sie auf einer umfangreichen Dokumentation und einer kontinuierlichen Entwicklung der Partei basiert. Ein Parteiverbot würde jedoch vor höheren Hürden stehen und wäre mit erheblichen rechtlichen und politischen Risiken verbunden. Die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens sind daher als weniger sicher einzuschätzen, aber angesichts der starken politischen Stellung der AfD und der umfangreichen Dokumentation verfassungsfeindlicher Bestrebungen nicht von vornherein ausgeschlossen.
Die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und ein mögliches Parteiverbot stellen eine demokratische Gesellschaft vor grundlegende Fragen zum Verhältnis von Parteifreiheit und Verfassungsschutz.
Das vom Verfassungsschutz vorgelegte Gutachten dokumentiert eine Vielzahl von Aussagen, Positionen und Verhaltensweisen der AfD und ihrer Funktionäre, die auf eine systematische Ablehnung zentraler Verfassungswerte, insbesondere der Menschenwürde, des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips, hindeuten. Die Partei vertritt demnach ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis, das mit dem Volksbegriff des Grundgesetzes nicht vereinbar ist, und verbreitet systematisch fremdenfeindliche, muslim- und islamfeindliche sowie demokratiefeindliche Narrative.
Die AfD bestreitet diese Vorwürfe und sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne. Sie argumentiert, dass kritisierte Äußerungen Einzelmeinungen seien, die nicht die Position der Gesamtpartei widerspiegelten, und dass ihre Kritik an der aktuellen Politik vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei.
Die rechtliche Bewertung der Einstufung durch die Gerichte wird sich an den etablierten verfassungsrechtlichen Maßstäben orientieren müssen. Dabei wird zu prüfen sein, ob die dokumentierten verfassungsfeindlichen Tendenzen tatsächlich den Charakter der Partei prägen oder ob es sich um vereinzelte Entgleisungen handelt.
Ein mögliches Verbot der AfD hätte weitreichende politische und gesellschaftliche Konsequenzen. Mehr als 10 Millionen Wählerinnen und Wähler wären nicht mehr im Parlament repräsentiert, was zu einer Entfremdung vom demokratischen System führen könnte. Die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse würden sich grundlegend verschieben, und in zahlreichen Wahlkreisen müssten Nachwahlen stattfinden.
Die wehrhafte Demokratie steht hier vor einem Dilemma: Einerseits muss sie sich gegen Bedrohungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zur Wehr setzen. Andererseits muss sie den demokratischen Willensbildungsprozess und den politischen Pluralismus respektieren. Ein Parteiverbot ist ein schwerwiegender Eingriff in diesen Prozess und kann nur das letzte Mittel sein.
Kritisch zu reflektieren ist auch die Rolle der Medien in dieser Debatte. Die oft einseitige Berichterstattung über die AfD trägt möglicherweise zu einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung bei und erschwert eine differenzierte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten und Positionen der Partei.
Unabhängig von der rechtlichen Bewertung ist eine politische Auseinandersetzung mit den Ursachen für den Erfolg der AfD unerlässlich. Wie der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel betont, verfügen Demokratien über einen "eingebauten Lernmechanismus" durch freie Wahlen. Ein Parteiverbot könnte diesen Lernprozess behindern und den etablierten Parteien die Notwendigkeit ersparen, sich kritisch mit den Gründen für ihre eigenen Wahlergebnisse auseinanderzusetzen.
Die Entscheidung über ein Parteiverbot liegt letztlich beim Bundesverfassungsgericht. Es wird abzuwägen haben zwischen dem Schutz der Verfassung und dem Respekt vor dem demokratischen Prozess. Diese Abwägung wird nicht nur rechtliche, sondern auch gesellschaftliche und demokratietheoretische Aspekte berücksichtigen müssen. Die Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" ist ein erster Schritt in diesem Prozess, der die Weichen für den weiteren Umgang mit der AfD stellen wird.
Diese Analyse wurde erstellt im Mai 2025. Sie versucht, die verschiedenen Perspektiven zu diesem komplexen Thema darzustellen, ohne selbst Position zu beziehen. Alle Angaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert, eine Gewähr für die Richtigkeit kann jedoch nicht übernommen werden.